+++ Klinische Unterschiede zwischen Generika möglich +++ Deutsche Parkinson Vereinigung liefert mit der Patientenbefragung und Datenerhebung eine gewichtige Informationsgrundlage +++ aut-idem-Regel muss neu gedacht werden +++
Die fundamentalste Begebenheit im Zusammenhang mit der Erkenntnis, dass Generikawechsel im Zuge von zu berücksichtigenden Rabattverträgen klinische Unterschiede beim Patienten abbilden, ist der Beweis, dass ohne Datenerhebung keine objektive Analyse möglich ist. Die Erhebung von Patientendaten, in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor argwöhnisch betrachtet, ist der einzige und sicherste Garant für Adaptionen der Therapie im Sinne der Patientensicherheit. Das betrifft alle Diagnosen und alle Therapien gleichermassen. Ohne valide Daten sind weder Erkenntnisse abbildbar, noch Konsequenzen denkbar.
Die Deutsche Parkinson Vereinigung hat hier als weitgehend auf ehrenamtlichem Engagement aufbauender Verband der gesamten Medizinwirtschaft und nachgerade politischen Entscheidungsebenen einen wichtigen und wertvollen Dienst erwiesen, indem sie mit unglaublichem administrativen Aufwand rund 14.000 Parkinson-Betroffene einzeln anschrieb, Fragebögen versandte, Rückporto sicherstellte und anschliessend die gewonnenen Daten ergebnisoffen auswertete. Hunderte Datensätze waren am Ende tatsächlich verwendbar.
Dieses Projekt war und ist im Interesse der Patientensicherheit von außerordentlicher Wichtigkeit, weil es die Grundfesten der politisch installierten "aut-idem"-Anwendung erschüttert. Der Austausch von Medikamenten auf Grundlage von kostengetriebenen Rabattverträgen ist eine Herangehensweise zu Lasten der Patientensicherheit. Auch wenn nunmehr die politische Entscheidungsträgerebene im Lichte von Lieferengpässen einzelne Rabattvertragsstrukturen und Preisdeckelungen aussetzt, ist das aut-idem-Problem damit nicht ansatzweise gelöst.
Patientenverbände müssen sich der Forderung des APS Aktionsbündnis Patientensicherheit in Berlin nach Schaffung von hauptberuflichen Beauftragten für Patientensicherheit anschliessen, in Analoge zum behördlich organisierten Datenschutz braucht die Patientensicherheit Augenhöhe.
Die aut-idem-Problematik, die sich im Zuge der Implementierung des eRezeptes und des eMedikationsplanes noch verschärfen könnte, muss politisch gelöst werden.
AUT-IDEM - Der Trailer ©DOPANET Wissen & Kommunikation 2020
Probleme beim Generikawechsel
Berechtigte Klagen oder nur Einbildung der Patienten?
Versorgungsengpässe wirbeln den Markt bei einigen Indikationen fast noch stärker auf als die Rabattverträge. Nur eines bleibt konstant: die Unzufriedenheit der Patienten mit jedem Generikawechsel, der in der Apotheke entsprechend mühsam vermittelt werden muss. Dass nur „die richtigen Tabletten“ in der bekannten Packung helfen, hört man in der Offizin quasi minütlich, während man froh ist, wenn überhaupt das verordnete Präparat aufgetrieben werden kann. Am Beispiel von Parkinson-Therapeutika wurden im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes pharmakotherapeutische und technologische Aspekte eines Generikawechsels untersucht: Irgendjemand müsste ja auch einmal zu einem vermeintlich besseren Generikum wechseln.
Mit Levodopa-Präparaten von verschiedenen Herstellern wurden in Leitungswasser (pH-Wert: ca. 7,4), simuliertem Magensaft (USP, ohne Enzyme, pH-Wert: 1,2) und in Vollmilch (pH-Wert: ca. 6,8) Dissolutions-Tests durchgeführt und so das Frei- setzungsverhalten und die Stabilität der Wirkstoffe untersucht [3].
www.aut-idem.eu
Stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses plädiert trotz Rabattverträgen für Vorzug von Patienteninteresse vor ökonomischen Zielen der Gesundheitswirtschaft
Aut-idem-Regel sollte bei Arzneimittelverordnungen gegenüber palliativ erkrankten Patienten abgeschafft werden
Foto: ©DOPANET 2022
1. Februar 2022 Bei der Verordnung von Arzneimitteln kommt es für chronisch und palliativ erkrankte Patienten wiederkehrend zum Austausch von medizinischen Handelspräparaten im Wege von Rabattvertragsergebnissen. Dabei werden von Ärzten auf Rezepten notierte Medikamente gegen wirkstoffgleiche Generika der jeweils günstigsten Preisgruppen ausgetauscht, sofern der Arzt dies nicht durch den Ausschluss der aut-idem-Regel verhindert. Die Galenik der Austauschpräparate ist jedoch trotz identischer Wirkstoffgruppen insbesondere im Hinblick auf Füll- und Hilfsstoffe unterschiedlich, was mitunter zu deutlichen Verstoffwechselungsabweichungen und damit zu Wirkungsschwankungen führen kann und bei Patienten mit hohem, nuanciert eingestelltem Medikamentenkonsum zu einer Vielzahl von vermeidbaren Klinikeinweisungen und stationären Aufenthalten führt.
DOPANET Wissen & Kommunikation wird das Thema neu aufschnüren. Unbestreitbar haben sich anzuerkennende Akteure in den letzten 15 Jahren wiederkehrend um dieses Anliegen gekümmert und viel Energien in letzthin ergebnislose Debatten investiert. Die Herangehensweise war dabei allezeit von großer Thementreue und Zielstrebigkeit gekennzeichnet, jedoch waren die Kommunikationswege unklar und die Reichweite unzureichend. DOPANET setzt auf andere Dialogstrukturen. Einzelanfragen an führende Gesundheitspolitiker erscheinen uns geeignetes Mittel zur zielführenden Kommunikation. Wir haben am 18. Januar 2022 insgesamt zunächst 10 Anfragen adressiert. Erfahrungsgemäss dauert es immer rund 4 Wochen, bis die Vorgänge an uns zurück kommen.
Die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages, Frau Dr.med. Kappert-Gonther von B90/Grüne hat als eine der ersten führenden Abgeordneten geantwortet.
Unsere Anfrage lautete:
Besteht Bekanntheit und Bewusstsein dafür, dass die Aut-Idem-Regel bei Medikamentenverordnungen eine ungerechte, teure, vermeidbare und gegen die Patientensicherheit stehende Regulation darstellt?
Sehr geehrte Frau Dr. Kappert-Gonther,
Rabattverträge zwischen Hersteller- und Kostenträgerwirtschaft bringen mit sich, dass Austauschmedikamente zuweilen Preisveränderungen unterliegen oder wechselnde Handelsprodukte bei Auslieferungen favorisiert werden müssen. Für palliativ Erkrankte, die auf die Einhaltung von kompliziert, teilweise stationär erarbeiteten Medikationsplänen angewiesen sind, ist der auf Grundlage von ökonomischen Parametern vollzogene Ersatz von vermeintlich preisgünstigeren Produkten eine Katastrophe.
Sind Sie bereit, sich diesem Thema zu öffnen und als Mandatsträger eine für alle Seiten erträgliche Lösung zu bewirken? Würden Sie die Aut-idem-Regel für chronisch oder gar unheilbar Erkrankte abschaffen? Sie als Ausschussvorsitzende sind selbst Ärztin und kennen das Thema also auch aus eigenem Erleben, dass der Ausschluss der Aut-idem-Regel bis zur Regress-Inanspruchnahme bei Ärzten führen kann.
Vielen Dank!
DOPANET Wissen & Kommunikation
18.Januar 2022
Die Antwort lautet:
Sehr geehrter Herr Mielert,
vielen Dank für Ihre Frage.
Bekanntermaßen wird mit "Aut idem" (lat. "oder das Gleiche") im Apothekenrecht die Möglichkeit der Apotheker*in beschrieben, statt eines von der Ärzt*in verordneten Arzneimittels ein anderes, wirkstoffgleiches Präparat an die Patient*innen abzugeben. Denn durch die Abgabe preisgünstiger, wirkstoffgleicher Arzneimittel können bedeutende Einsparungen erzielt werden. Das Präparat muss in Wirkungsstärke und Packungsgröße mit dem verordneten Arzneimittel identisch und für das gleiche Krankheitsbild zugelassen sein, sowie die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform haben (zum Beispiel Tabletten/Dragees). Apotheker*innen sind verpflichtet, vorrangig Arzneien abzugeben, für welche die Krankenkassen der Patient*innen einen Rabattvertrag mit Arzneimittelherstellern abgeschlossen haben. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Ärzt*in "Aut idem" auf dem Rezept ausschließt.
Gerade bei palliativ versorgten Menschen kommt es darauf an zusätzliche Belastungen zu vermeiden. Die Patient*innen wie auch ihre Angehörigen müssen darauf vertrauen können, dass das Patient*inneninteresse im Vordergrund steht und nicht primär ökonomische Ziele. Bei der Substitution eines verordneten Arzneimittels muss daher sichergestellt sein, dass der Wirkstoff, die Wirkstärke und Packungsgröße des abgegebenen Arzneimittels identisch sind. Auch bei den Darreichungsformen muss gewährleistet sein, dass sich die Aufnahme und Wirkdauer nicht unterscheiden. Dies ist sowohl aus Gründen der Compliance als auch der Therapiesicherheit notwendig. Wenn dies angezeigt ist, kann die Möglichkeit genutzt werden, den Austausch in der Apotheke schon auf dem Rezept auszuschließen.
Mit freundlichen Grüßen,
Kirsten Kappert-Gonther
31.Januar 2022
Auch wenn die Antwort von Frau Dr. Kappert-Gonther erkennbar lang bekannten Antwortmustern entspricht, ist die von ihr formulierte Priorisierung von Patienteninteressen vor ökonomischen Zielen der Wertschöpfungs- und Kostenträgerwirtschaft erfreulich deutlich.
An die Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitikerin Katrin Helling-Plahr, die sich bereits 2019 für die FDP-Fraktion für das Thema eingesetzt hatte, hatten wir folgende Einzelanfrage eingereicht:
Würden Sie bitte proaktiv und im Angesicht Ihrer nunmehr gegebenen Einbindung in eine Regierungspartei die "Aut-idem-Regel" für chronisch oder gar unheilbar Erkrankte abzuschaffen versuchen?
Sehr geehrte Frau Helling-Plahr,
Rabattverträge zwischen Hersteller- und Kostenträgerwirtschaft bringen mit sich, dass Austauschmedikamente zuweilen Preisveränderungen unterliegen oder wechselnde Handelsprodukte bei Auslieferungen favorisiert werden müssen. Für palliativ Erkrankte, die auf die Einhaltung von kompliziert, teilweise stationär erarbeiteten Medikationsplänen angewiesen sind, ist der auf Grundlage von ökonomischen Parametern vollzogene Ersatz von vermeintlich preisgünstigeren Produkten eine Katastrophe.
Sie haben sich 2019 mit Ihren Anfragen an die damalige Bundesregierung bereits sehr für u.a. dieses Thema und eine für Parkinson-Patienten und auch die Ärzteschaft erträgliche Lösung eingesetzt.
Würden Sie bitte im Angesicht der neuen Machtverhältnisse in Berlin und Ihrer nunmehr gegebenen Einbindung in eine Regierungspartei die Aut-idem-Regel für chronisch oder gar unheilbar Erkrankte abschaffen?
Vielen Dank!
J.M. Mielert
DOPANET Wissen & Kommunikation
Die Antwort vom 15. Februar 2022 lautet:
Sehr geehrter Herr Mielert,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Nach der sogenannten Aut-idem-Regelung sind Apotheker verpflichtet, vorrangig Arzneien abzugeben, für welche die Krankenkasse des Patienten einen Rabattvertrag mit Arzneimittelherstellern abgeschlossen hat. Es muss aber stets sichergestellt sein, dass das von den Apotheken ausgegebene Präparat in Wirkungsstärke und Packungsgröße mit dem verordneten Arzneimittel identisch und für das gleiche Krankheitsbild zugelassen ist. Zudem muss das Arzneimittel die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzen. Der G-BA führt eine sogenannte Substitutions-Ausschlussliste, auf der all jene Medikamente stehen, die nicht ausgetauscht werden dürfen. Die verordnenden Ärzte haben außerdem heute bereits die Möglichkeit, die Aut-idem-Regelung auf dem Rezept auszuschließen. In vielen Fällen wird von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht.
Im Grundsatz steht hinter der Aut-idem-Regelung ein berechtigtes Anliegen. Wichtig ist, dass Fälle, in deren Anwendung sie aus medizinischen Gründen nicht geboten ist, auch tatsächlich keine Anwendung findet. Deshalb sollte konsequent und gründlich erforscht werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Anwendung der Regelung bei einem konkreten Krankheitsbild für die Patienten nachteilig ist. Dafür habe ich mich in der Vergangenheit eingesetzt und werde das auch in Zukunft im Rahmen meiner Möglichkeiten tun.
Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Helling-Plahr
An dieser Stelle werden alle weiteren Antworten in der Reihenfolge des Posteinganges beantwortet werden.
DOPANET Wissen & Kommunikation
Film: © DOPANET 2021
Unter der Internetadresse
www.aut-idem.eu
wird die gesamte Korrespondenz und die aktuellen Publikationen zum Thema aut-idem, auch im Anwendungsbereich des elektronischen Medikationsplanes, des elektronischen Rezeptes und der elektronischen Patientenakte abgebildet. DOPANET setzt auf absolute Transparenz und Unabhängigkeit. Unsere Anfragen sind in keiner Weise durch irgendwelche ökonomischen Ziele oder Abhängigkeiten getrieben. Wir nehmen weder Spenden, noch Fördergelder, noch andere Zuwendungen an. Unsere einzige Grundlage ist und bleibt das jeweilige Thema. Wir sind als eingetragene Interessenvertreter zu lückenloser Transparenz verpflichtet und haben den Kodex für beim Bundestagspräsidium eingetragene Interessenvertreter unterzeichnet.
DOPANET® Wissen & Kommunikation
Danziger Strasse 104, 10405 Berlin Telefon 030 - 397 72 83-0
Post bitte an Postfach 1501, 25735 Heide
Emails bitte an: info@aut-idem.eu
Foto:©Deutscher Bundestag, Lobbyregister 2022